Über das letzte Derby hüllen wir sportlich und ergebnismäßig wohl lieber den Mantel des Schweigens. Dass wir (also konkret: Die RAPID) möglicherweise noch einen Punkt hätten holen können… Geschenkt.
Verhaltensoriginelle Menschen
Thema ist viel mehr die Tatsache, dass einige verhaltensoriginelle Menschen es wieder einmal geschafft haben, das gesamte Fußball-Fantum in Verruf zu bringen. Weil sie Böller geschossen haben (auf beiden Seiten) und sich nicht zu blöd waren, Leuchtstifte in den neutralen Familiensektor abzufeuern (die Fans des fak). Und jetzt haben wir den medienmäßigen Salat: Zeitungen schreiben über Fan-Ausschreitungen, Minister fühlen sich zu „so geht das aber nimmer“-Aussagen verpflichtet und selbst Peter Pilz (seines Zeichens doppelt Grüner und Mitglied des Rapid-Kuratoriums) lässt sich zu von dieser Seite des politischen Spektrums nicht gekannter law-and-order-Rhetorik hinreißen.
Herr Pilz sorgt für Ordnung
Nachzulesen hier: https://www.facebook.com/peterpilz bzw. im Volltext auch hier: „FANS? KRIMINELLE. ‚Ich geh mit meinem Buben garantiert nicht mehr hin.‘ Der Vater ist Austrianer, sein Sechsjähriger zittert noch immer. Im Familiensektor E sind sie im Wiener Stadion beim Derby zwischen Rapid und der Austria von eigenen ‚Fans‘ mit Leuchtraketen beschossen worden. ‚Dann sind die Vermummten gekommen und zwischen den Bänken nach vorn geschlichen.‘ Ein Rapidler kommt mit seinem Sohn dazu. Er zittert vor Empörung. ‚Da kannst du nicht mehr hin. Die machen alles kaputt. Wo war die Polizei? ‚Die haben ewig zugeschaut. Wie dann ein paar Polizisten gekommen sind war es schon viel zu spät.‘ Nach diesem Derby ist wohl endgültig klar: Im Stadion ist nur Platz für eine Gruppe: für Familien mit den Fans von morgen oder für die kriminellen Randalierer. Schon längst hätte die Kriminellen lebenslängliches Platzverbot erhalten müssen. Schon längst hätte ihnen klar gemacht werden müssen, dass es für sie nur zwei Adressen gibt: Straflandesgericht und Strafvollzug. Und Stadionverbot auf Lebenszeit. Aber Vereine und Polizei versagen ganz offensichtlich. Noch immer wird ein Dialog gesucht, wo der Dialogpartner mit Raketen und Böllern argumentiert. Diesmal war es die Austria. Aber es ist ein Problem des gesamten österreichischen Fußballs. Ich bringe das jetzt ins Parlament. Die Schonfrist für die Kriminellen am Platz ist vorbei. Hoffentlich.“
Irrtum, Herr Pilz!
Die Worte des grünen Abgeordneten klingen ja vernünftig und man ist versucht, ihnen vollinhaltlich zuzustimmen. Auch wenn man sich einigermaßen wundert, dass ein sonst der Exekutive durchaus kritisch gegenüber stehender Abgeordneter auf einmal den sonst so dringlich geforderten Dialog als unnötig erachtet. Aber egal: Der Dialog scheint in diesem Fall selbst dem Schreiber dieser Zeilen nicht sinnvoll. Entscheidend ist viel mehr, dass Pilz eine klitzekleine Kleinigkeit außer Acht lässt: Ja, es ist gut, dass Fußball immer mehr auch zum Familienevent wird und ja, zumindest in den neutralen Sektoren sollte man das Spiel auch mit seiner Familie und mit den eigenen Kindern (oder Enkelkindern) genießen können. Aber nein, wir wollen nicht das gesamte Stadion zu einer Familienzone machen. Weil es nämlich durchaus ok ist, wenn man im Fansektor die Sau rauslässt. Weil es auch ok ist, wenn man im Fansektor Dinge rausbrüllt, die man sonst so nicht sagen würde. Und weil es ok ist, dass Fußball-Fankultur in den Fansektoren stattfindet, die halt für kleine Kinder aus unterschiedlichsten Gründen nicht immer ganz geeignet erscheinen. (vor allem wenn man ja, so lang nichts passiert, ganz gerne darauf hinweist, welch geile Stimmung dort wieder gemacht wird – und von der profitieren ja alle!!!)
Normalos, Fans, Kinder
Über 90 Prozent in diesen Fanblöcken sind vollkommen normale Menschen, denen niemals einfallen würde, Leuchtraketen auf andere zu schießen. Und locker 50 Prozent schreien auch nicht mit, wenn einem gegnerischen Spieler eine bestimmte Profession seiner Mutter unterstellt wird. Aber manchmal gibt es halt ein paar Deppen, die Leuchtstifte in den Familiensektor schießen, die Böller krachen lassen, die Schlägereien anzetteln. Das sind unter den so genannten „organisierten Fans“ gerade einmal ein bis zwei Prozent. Die gehören zurechtgewiesen, strafrechtlich verfolgt, aus dem Verkehr gezogen. Aber die anderen 98 bis 99 Prozent sollen weiterhin ihre Fankultur leben dürfen.
Wir wollen bleiben!
Denn: Es gibt Fans und es gibt Besucher in den Familiensektoren. Erstere haben aber nicht ihr recht auf Stadionbesuche und Pflege ihrer Fankultur verloren, nur weil ein paar Deppen sich nicht benehmen können. Fußball wird niemals ein reines, sauberes und ganz und gar unschuldiges Ereignis sein. Deshalb habe ich meinem nunmehr 12-Jährigen auch nicht bereits vor fünf Jahren in den Westseketor mitgenommen und deshalb bespreche ich diese Dinge (und gewisse Sprüche und Fangesänge) auch nach wie vor mit ihm.
Aber wegen ein paar Deppen gleich die Entscheidungsfrage: „Familie oder Fanblock“ zu stellen. Das, Herr Pilz, geht zu weit. Und ist nebenbei ziemlich populistisch. Fragen sie ihre blauen Oppositionskollegen 😉